Für den Architekten Ludwig Mies van der Rohe war es nicht der Teufel, der im Detail steckt, sondern Gott. Aber wie dem auch sei, es läuft auf das Gleiche hinaus. Gemeint ist eben, dass es aufs Detail ankommt, wenn es ums Ganze geht. Denn das Ganze besteht in jedem seiner Teile. Als ästhetisches Gebilde besteht ein Haus nicht allein in seiner Kubatur und seiner Materialität, sondern ganz entschieden auch in „Kleinigkeiten“ wie dem Fugenbild seines Mauerwerks oder den Sprossen seiner Fenster. Hässliche Fugen (Teufel) verpfuschen das Gesamtbild, schöne Fugen bekräftigen es (Gott). Beim Menschen ist es ähnlich… Er besteht nicht allein in seiner Intelligenz, seiner Sprache, seiner Moralität und seiner Würde, sondern auch in seinem Blick, seinen Gesten, seinen Manieren, seinem Gang, seiner Religion und zahllosen anderen charakteristischen Details. Es gibt Menschen, die sich derart hinreißend bewegen, dass man sie ungeachtet ihrer Dummheit oder Gemeinheit lieben muss. Andererseits kann übler Mundgeruch alle figurative Schönheit zunichte machen und ein „böser Blick“ Misstrauen noch gegen die edelsten Absichten wecken.
Intellektualisten empfehlen in solchen Fällen dringend, von irreführenden Oberflächenerscheinungen abzusehen und sich an das Wesentliche zu halten: die Dummheit, die Gemeinheit, den Edelmut. Aber ist man immer klug beraten, intellektualistischen Empfehlungen zu folgen? Gibt es überhaupt so etwas wie „Dummheit“? Jedenfalls unterschlägt der Begriff notwendig eine Fülle von Details, die, sei es in teuflisch-ruinöser oder göttlich-verbindlicher Weise, das Ganze erst ausmachen. Noch in den dümmsten Äußerungen des Tänzers wird sich seine Bewegungsklugheit bemerkbar machen; die körperliche Grazie wird die geistige Grobheit in einer bestimmten Weise modifizieren, so dass es eine ganz und gar individuelle und irgendwie auch kluge Dummheit wäre, die wir an ihm wahrnehmen könnten, wenn wir, statt dem begrifflichen Urteil zu vertrauen, genauer hinsehen würden.