Einspruch! (2)

Ist die Meinungsfreiheit hierzulande bedroht? Unter der entwaffnenden Überschrift »Meine Meinung!« hat sich auch Johannes Schneider kürzlich zu dieser Frage geäußert. Sei ganz entspannt, sagt der ZEIT Online-Redakteur gleich im Beitragstitel. Ich schreibe weder im Namen eines Wahrheitsministeriums noch einer Glaubenskongregation, sondern habe mir bloß ein paar Gedanken gemacht, die ich hier völlig ungezwungen zur Debatte stelle. »Meine Meinung« eben. Und zwar mit Ausrufezeichen! Als Wink mit dem Zaunpfahl gewissermaßen – für die ganz Blöden, die es einfach nicht kapieren wollen, dass die Meinungsfreiheit hierzulande naturgemäß kein bisschen bedroht ist!… mehr

Einspruch! (1)

»Nie wieder! Ich rühre nie wieder irgendeine intellektuelle Geschichte an. Ich will mit dieser Gesellschaft nichts zu tun haben.« Zum Glück hielt sich Hannah Arendt nicht allzu lange an ihren Vorsatz. Im Jahre 1933 aber, als die angehende Philosophin Deutschland verließ, war es ihr bitter ernst damit, und noch in dem berühmten Fernsehinterview, das der Journalist Günter Gaus 1964 mit ihr führte, bekundet sie ihre tiefe Skepsis gegenüber bestimmten Intellektuellen – jenen nämlich, die dem Wirklichen auch dann noch Vernunft zuschreiben, wenn es keine freie menschliche Regung mehr zulässt. Nicht… mehr

Tagesgespräch

»Blödsinn oder Fortschritt: Was halten Sie von gendergerechter Sprache?« Das war am 13. Oktober die Frage im „Tagesgespräch“, einem beliebten Hörer-sagen-ihre-Meinung-Format des Bayerischen Rundfunks. Dass die Frage ein geteiltes Echo hervorrufen würde, war vorherzusehen. Und so kam es dann auch: Zu Wort meldeten sich ungefähr gleich viele Befürworter und Gegner des neuerdings ja nicht mehr nur geschriebenen, sondern häufig auch gesprochenen Zwitterplurals (»die Musiker.Innen« statt »die Musiker« bzw. »die Musikerinnen«). Einige Anrufer begründeten ihre Meinung, die meisten bekundeten und bekräftigten sie bloß. Sie sahen es als vollkommen evident an, dass… mehr

Liebe Sprecherinnen und Sprecher

Was soll ich schreiben? Die Sprecher, die Sprechenden, die SprecherInnen, die Sprecher*innen? Dx Sprechx? Um die Frage zu kären, ist es vielleicht hilfreich, sich einige sprachwissenschaftliche Erkenntnisse in Erinnerung zu rufen. Dazu gehört die Beobachtung, dass die Verbindung zwischen einem Namen (etwa der Lautfolge „Baum“) und seiner Bedeutung (etwa die Vorstellung eines Baumes) keineswegs natürlich ist; vielmehr legt die Sprachgemeinschaft willkürlich fest, was Worte bedeuten sollen – wobei die realen Eigenschaften der Objekte bei der Benennung eigentlich keine Rolle spielen (ein Baum kann „Baum“ heißen, aber auch „arbre“ oder „tree“). Ein… mehr

Engel der Geschichte

Kürzlich erschien in der Neuen Zürcher Zeitung der Beitrag »Europas Traum und Trauma«. Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Robert Habeck plädiert darin für ein geschichtsbewusstes Europa, das er zu einer „weltpolitikfähigen“ föderalen Republik formen möchte. Eine Replik. Die Welt gibt es nicht per se, vielmehr bringen wir sie durch Sprache erst hervor. Wer diesem konstruktivistischen Glauben anhängt und als Politiker die Welt verändern möchte, muss ganz besonders auf seine Worte achten. Der Konstruktivist Robert Habeck tut das bekanntlich nicht immer. Erinnern wir uns: Im Vorfeld der Thüringer Landtagswahlen rief… mehr

Ein übergriffiger Vergleich

Eine Antwort auf den Artikel »Die Rückkehr der Menschenfeindlichkeit« des Sozialpsychologen Harald Welzer, erschienen in der ZEIT vom 30. Mai 2018: Zunächst eine wichtige Mitteilung: Ich betrachte Harald Welzer als einen Bruder im Geiste. Mit seiner Kritik des Digitalismus (»Die smarte Diktatur«, 2016) hat er mir aus der Seele gesprochen. Seine Fragen an die Geschichte des Nationalsozialismus (»Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden«, 2005) sind immer auch die meinen gewesen. Sein zivilgesellschaftliches Engagement für die »offene Gesellschaft« schließlich nötigt mir so viel Respekt ab, dass ich ihm nur höchst… mehr